Als ich mit unserem ersten Sohn schwanger war, konnte ich mir nie vorstellen, wie sich Stillen anfühlt. Wie das wohl ist so ein kleines Wesen an der Brust nuckeln zu lassen.
Die Vorstellung fand ich irgendwie seltsam.
Gleich nach der Geburt war es dann das natürlichste der Welt. Wir hatten vom ersten Moment an eine wunderbare Sillbeziehung. Es klappte alles so wie ich es mir erhofft hatte.
Natürlich war der Milcheinschuss ein ziemlicher Schock. Niemand hatte mich gewarnt, dass die Brüste auf zwei Größen anschwellen würden – innerhalb einer Nacht. Alles spannte und tat weh. Nach ein paar Tagen hatte es sich zum Glück normalisiert und wir konnten unsere 13 Monate Stillen voll und ganz genießen.
Einen Milchstau gab es leider und ich habe mich selten so elend gefüllt. Es war furchtbar, änderte aber nichts daran, weiter zu Stillen.
Gleich nach dem Abstillen war ich wieder schwanger und freute mich diesmal sehr auf das Stillen von Sohn Nummer zwei. Ich wusste, wie schön es ist, wie vertraut, wie beruhigend. Ich wusste was in den ersten Tagen auf mich zukommt, habe mir bereits Salbe für die Brustwarzen in den Klinikkoffer gepackt und zu Hause war alles für Quarkwickel bereits vorhanden.
Unsere Stillbeziehung lief genau so gut an wie bei meinem ersten Kind. Diesmal gab es weder einen Milchstau, noch einen Stillstreik (den mein Erstgeborener mit drei Monaten hatte und mich zwei Wochen schier in den Wahnsinn getrieben hat). Alles lief für uns beide perfekt. Die langen Stillzeiten habe ich genutzt um den großen Bruder vorzulesen.
Das war unser Ritual und so haben wir uns alle drei auf das Stillen gefreut. Ja, es war richtig harmonisch. Ich las und las, der kleine Bruder trank und trank und ich konnte mich ein bisschen zurücklehnen und das Leben mit zwei kleinen Kindern zu schätzen lernen. Diesmal stillte ich noch ein paar Monate länger, aber nach 15 Monaten war dann Schluss. Ich weiß gar nicht mehr, warum. Ich glaube, es lief wie beim ersten Mal. Irgendwann war einfach kein großes Interesse mehr da und nach und nach wurden unsere Stillmomente weniger bis dann auch das abendliche Zubettgehen-Stillen nicht mehr gebraucht wurde. Durchgeschlafen hat der kleine Bruder bereits – man darf das gar nicht so laut sagen – mit sechs Wochen, so dass es nachts auch keinen Bedarf mehr gab.
Und erneut war ich kurz nach dem Abstillen wieder schwanger. Sohn Nummer drei kündigte sich an und wir waren alle ganz aufgeregt und hatten auch ein wenig Angst vor dem Leben mit drei Kindern unter vier.
Um das Stillen machte ich mir keine Gedanken. Bei den beiden großen hatte es ja bereits tadellos geklappt, so solle es auch bei dem dritten Kind sein.
Gleich nach der Geburt war er auch schon wieder da – dieser Zauber. Das passte einfach wieder alles. Ich bin sehr dankbar, dass ich dreimal das Glück hatte eine wunderbare Stillbeziehung ohne jegliche Probleme aufbauen zu können. Ich weiß, wie schwer es teilweise andere Mamas haben. Bei uns lief jedes Mal alles so toll, das ist nicht selbstverständlich.
Es lief sogar so gut, dass keiner der drei jemals einen Schnuller wollte oder abgepumpte Milch aus der Flasche akzeptiert hatte. Das war für mich als Mama natürlich anstrengend. In dem ersten halben Jahr musste ich immer verfügbar sein. Auch Krankheit oder Termine konnten mich nicht vom Stillen freisprechen. Mama wurde immer gebraucht. Zum Trinken, zum Beruhigen, zum Dasein. Mir machte das aber nie etwas aus. Ich konnte trotzdem bald nach der Geburt wieder in mein Ballett Training gehen. Ich habe kurz bevor ich los musste die Jungs zum schlafen gestillt und in den zwei Stunden, wo ich weg war, brauchte keiner Milch. Und wenn doch musste halt der Papa mit Kuscheln und Tragen dafür sorgen, dass das Kleine noch ein wenig durchhält bis die Milchbar wieder da ist.
Seit dem ersten Stillen von tinyBro sind nun 27 Monate vergangen und ich stille noch.
Bei meinem kleinsten fühlte es sich irgendwie nie danach an Abzustillen. Es hat sich zwar nach und nach sehr reduziert, aber unser abendliches Einschlafstillen ist immer noch Teil unseres Alltags. Wir genießen die Zeit nur für uns zwei. Eng beieinander, ohne dass die Brüder um uns rumspringen.
Doch in den letzten Wochen habe ich gemerkt, dass ich mir immer öfter denke, dass es jetzt auch mal gut sei mit Stillen, dass für mich jetzt einfach der Punkt gekommen ist, wo ich es nicht mehr ganz so genießen kann.
Durch die Eingewöhnung im Kindergarten, die seit Januar läuft, ist tinyBro sehr anhänglich geworden. Noch anhänglicher als er es sowieso schon war. Sobald wir nach Hause kommen, klebt er wie Kaugummi an mir. Geht keinen Schritt ohne mich, möchte wieder getragen werden. Im Kindergarten selbst läuft alles prima. Er kann mich gehen lassen, spielt ausgelassen und freut sich, wenn ich ihn wieder abholen komme. Zu Hause braucht er dann aber die Gewissheit, dass ich da bin und nirgendswo anders hingehe. Mittlerweile hat es sich ein bisschen eingependelt und er fordert meine Nähe nicht mehr ganz so arg. Aber man merkt einfach, wie unsicher er ist und wieviel Zuversicht er braucht, dass ich da bin.
Ich merke diese Angst, dass Mama weg geht, besonders abends beim Einschlafen. Er fordert das Stillen viel mehr ein, nuckelt sehr ausgiebig und lässt mich dann auch nicht mehr gehen. Sobald ich das Stillen beende wird bitterlich geweint. Mit Streicheln und beruhigenden Lauten kann ich ihn dann aber zum Einschlafen bewegen. Das lange Nuckeln bereitet mir jedoch Schmerzen und ich bin nicht mehr glücklich in unserer Stillbeziehung.
Wie sagte meine Stillberaterin immer „Es ist eine Beziehung. Beide Seiten müssen glücklich sein und sich wohlfühlen. Sobald es für einen nicht mehr passt, ist es Zeit aufzuhören.“
Nun, für mich passt es nun nicht mehr. Ich stille gerne und ich werde es sehr vermissen. Aber jetzt ist für mich der Zeitpunkt um es langsam zu beenden.
Allerdings gestaltet sich das nicht so einfach wie bei den beiden Brüdern. TinyBro hängt sehr am Stillen. Es ist natürlich auch ein ungünstiger Zeitpunkt. Mit der Eingewöhnung und all seinen Sorgen und Ängsten.
Wir probieren jetzt jeden Abend, dass der Papa ihn ins Bett bringt. Mit mir geht es derzeit nicht ohne Stillen. Sobald ich ihn auf dem Arm habe, wird „auf, auf“ gerufen und am T-Shirt gezerrt.
Ein paar Tage lang ging es gut. Er hat 50 Mal „Mama“ gerufen, aber am Ende ist er mit Papa eingeschlafen. Gestern konnten wir abends seinen Kuschellöwen nicht finden. Und so ganz ohne Löwen und ohne Stillen ging es einfach nicht. Und das ist okay so. Wenn er mich braucht, bin ich da. Wir versuchen uns zu lösen und das braucht Zeit.
Natürlich könnte ich auch von heute auf morgen sagen, dass das Stillen vorbei ist. Aber ich möchte es für ihn so sanft wie möglich gestalten und so auch mir den Abschied leichter machen.
Denn, auch wenn ich nun einerseits froh bin, wenn das Stillen vorbei ist, so werde ich es auch vermissen. Ich weiß nicht, was die Zukunft bringt, aber wahrscheinlich wird dies mein letztes Mal Stillen sein. Daran zu denken stimmt mich traurig. Es war eine wundervolle Zeit. Insgesamt fast 5 Jahre Stillen liegen hinter mir. Mit Höhen und Tiefen. Doch meist mit Höhen. Mit viel Geborgenheit, Liebe und Dankbarkeit.
In den nächsten Wochen wird sich zeigen, ob es mit dem Abstillen geklappt hat und wie es tinyBro und mir damit geht. Ich blicke mit einem lachenden und einem weinenden Auge dem Ende entgegen. Aber hauptsächlich verspüre ich tiefes Glück und jede Menge Liebe für die wundervolle Zeit.
Bei tinyBros Geburt hätte ich nie geglaubt, dass ich mal eine langzeitstillende Mama sein werde. Ich dachte, nach etwa einem Jahr wäre es Zeit zum Abstillen.
Das Leben hat andere Pläne und manchmal kommt es anders als geplant und das ist gut so. Ich bin dankbar für diese Erfahrung und weiß, dass ich meinen kleinen Schatz all die Liebe gegeben hab, die ich habe. Seine Bedürfnisse stehen für mich an erster Stelle (neben denen der beiden anderen Jungs).
Für andere mag Langzeitstillen ein wenig befremdlich sein. Für uns war es genau das richtige und nun fühlt es sich auch genau richtig an, Abschied davon zu nehmen.
Alles Schöne geht irgendwann zu Ende – aber die Erinnerung bleibt.
Vielen Dank für deinen Bericht zum Stillen. Ich habe selbst eine 9monate alte Tochter und ich stille noch verhältnismäßig oft, da sie keine große Esserin ist. Wenn sie 14 Monate ist, werde ich wieder arbeiten gehen und mit etwas Sorge schaue ich der Trennung entgegen. Wenn ich gewusst hätte, was für Gefühle man ggü seinem Kind entwickelt, hätte ich eine längere Elternzeit beantragt. Aber gut.
Es tut gut zu lesen, dass du länger als die üblichen 6, gefühlt max. 12 Monate gestllt hast. Denn auch ich habe vor, ihr solange das Stillen zu ermöglichen, wie sie es braucht. Meine Tochter verweigert auch einen Schnuller oder das Fläschchen und so hoffe ich, ihr weiterhin einen Teil der Sicherheit geben zu können (sofern sie es noch will und braucht) und ich sie abends, nachts und morgens stillen kann, wenn ich wieder arbeiten gehe- trotz dessen dass sie dann schon über 1 Jahr alt sein wird.
Liebe Grüße, Julia